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Ein Beitrag zur Global Education Week - “Together for a World without Poverty”
5 Indigene Bevölkerung heute


 

5.1.        „Von der Bevormundung zur Selbstbestimmung“

Diejenige indigene Bevölkerung die nicht in die dominierende brasilianische Gesellschaft eingeflossen ist wurde lange Zeit wenig beachtet, sie konnten aber auch nicht vollkommen ignoriert werden.

„Marschall Rondon sah damals „seine“ Indianer sicher als unmündige Kinder, heute aber sind sie rechtlich als Staatsbürger anerkannt, denen per Verfassung ein besonderer Schutz zusteht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ureinwohner als lebende Relikte in eine Art Museum verbannt werden sollen. Die Regierung ist bemüht, ihnen die Integration in die Gesellschaft auf eine Weise zu ermöglichen, bei der sie ihre eigene Identität bewahren können.“ (Brasilianische Botschaft, 1)

Marschall Rondo gründete 1910 die Indianerschutzbehörde SPI. Die Indianer wurden als rückständig angesehen. „So wurden sie im brasilianischen Bürgerlichen Gesetzbuch (Código Civil) von 1916 zusammen mit den 16- bis 21-Jährigen und den „Sonderlingen“ als „relativ unmündig“ in Bezug auf die Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten erklärt. Bis zu ihrer Integration in die „Zivilisation des Landes“ sollte daher der Staat ihre Vormundschaft übernehmen.“ (Pasca, 25)

Im Jahr 1967 wurde die SPI durch die Militärregierung mit der FUNAI (Fundação Nacional do Índio) ersetzt, welche aber im Wesentlichen dasselbe Ziel verfolgte: die Entwicklung und Integration der Indigenen Völker. Trotz allem wurden mit der Zeit immer mehr Reservate demarkiert (Abb. 3).

Erst mit der neuen brasilianischen Verfassung von 1988 sind ihnen gleiche Rechte und ihre soziokulturelle Vielfalt, sowie ihr individuelle Lebensweise eingestanden worden. Das bürgerliche Gesetzbuch folgte den Vorgaben der Verfassung erst im Jahr 2001 und auch die konkrete Umsetzung geht nur schleppend voran und stößt auf Widerstand, denn es besteht ein großes wirtschaftliches Interesse an den Ressourcen auf indianischem Gebiet, sowie deren Nutzungs- und Vermarktungsrechte. (vgl. Pasca, 26)

Dennoch keimt seitdem in der indigenen Bevölkerung ein neues Selbstbewusstsein und immer mehr bekennen sich zu ihrer Herkunft.


Allerdings ist die Wahrnehmung der Bevölkerung und auch die öffentliche Darstellung in Bezug auf die indigenen Bevölkerungsgruppen oftmals eher der Art, als seinen die Indianer Ureinwohner einer längst vergangenen Zeit und nicht als 4 Millionen starke Bevölkerung die noch vor 300 Jahren Brasilien bewohnt hat. Die Geschichtsschreibung über sie scheint eher romantisch verklärt als aufklärerisch.

Auch ist das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Kulturgegenständen noch nicht sehr hoch. Die Relikte liegen eher herum, als das sie ausgestellt werden. (Abb. 5-8)

 

Wie wir in der Universität von Maringa selbst erfahren konnten (Abb.1 u. Abb.2), sind die konkreten Gesetze vieler Bundesstaaten, wie auch das von Parana, selbst im Jahr 2004 noch nicht an die Verpassungsvorgaben angepasst worden. Die Umsetzung ist vor dem Jahr 2010 nicht zu rechnen, da sie schwierig und aufwendig sei.

Zum Beispiel haben die indigenen Bevölkerungsgruppen inzwischen ein Anrecht auf Schulunterricht in ihrer eigenen Sprache, hierfür müsse man aber erst Lehrer ausbilden die die Sprache der Indianer sprechen.

Des Weiteren gibt es inzwischen spezielle Universitätsplätze die für Indianer freigehalten werden müssen. Hieran kann man erkennen, dass ein Indianer welcher eine Universität besucht, noch lange kein Normalzustand ist.

Bei einer Umsetztungszeit der verfassungsmäßigen Vorgaben von ca. 20 Jahren ist davon auszugehen, dass kein besonders großes politisches Interesse besteht etwas am Status Quo zu ändern. Die indigene Bevölkerung hat keine große Lobby, welche unterstützend wirken könnte und das wirtschaftliche Interesse am Land auf dem sich die Indianerreservate befinden ist groß. Im Amazonasgebiet gibt es oftmals Problem mit illegalen Goldsuchern und in ganz Brasilien besteht ein Interesse an den natürlichen Ressourcen und Bodenschätzen in den Reservaten. So bleiben viele Indianer in ihren Reservaten um ihre Rechtsansprüche auf Grund und Boden zu vertreten.

Immerhin darf die indigene Bevölkerung auf ihrem Gebiet bzw. in ihrem Reservat, innerhalb der eigenen Bevölkerungsgruppe, auch ihr eigenes Recht zur Anwendung bringen. Ausgeschlossen sind auch dabei radikale Strafen wie Todesstrafe, da diese per Verfassung ausgeschlossen wird.

Dennoch wird hin- und wieder von Vorfällen berichtet bei denen Eindringlinge, in dem Fall Goldsucher, hingerichtet wurden.

 

5.2.        Indigene Bevölkerung in Südbrasilen und im Bundesstaat Rio de Janeiro

 

 

Im Südbrasilen leben heute noch ca. 27000 Angehörige indigener Völker.

In Rio Grande do Sul sind es etwa 13500 Individuen der Kaingáng und der Guaraní, Im Bundesstaat Santa Catarina sind es circa 6500 der Xokléng, der Guarani M’Biá und wiederum der Kaingáng.

In Parana gibt es noch ungefähr 8000 Angehörige indigener Völker.

Diese sind die Guaraní-Nhandeva, die Guaraní M’Biá, die Kaingáng und die Xetá.

Das letztgenannte Volk der Xetá wird es in kurzer Zeit nicht mehr geben, denn es gibt, je nach Quelle noch ein bis sechs Individuen dieser Ethnie, welche als männlich sind. Sie leben bei den Kaingáng in Paraná.

 

In Paraná gibt es 16 Indianerreservate (Abb.4) welche zusammengenommen eine Fläche von nur etwa 60000ha einnehmen. Das größte dieser Reservate ist das 1959 erschaffene Mangueirinha Reservat. Dort leben etwa 2300 Kaingáng und Guaraní. Da innerhalb dieses Reservates auch reichhaltigsten Vorkommen an Araukarien in ganz Brasilien zu finden sind; war das Reservat seit den sechziger Jahren immer wieder Angriffen ausgesetzt und wurde mehrmals verkleinert. Heute hat es eine Fläche von 16.375ha. Nachdem 3 Indianer auf der Fernverkehrsstrasse BR-373, welche Curitiba mit Foz de Iguazu verbindet und das Mangueirinha Reservat durchquert, getötet wurden, blockierten einige Indianer aus Protest die Strassen.

Bei dieser Aktion wurden sieben der Protestierenden getötet indem sie von Fahrzeugen überrollt wurden.

 

Die Stadt Curitiba, was auf Tupi soviel wie „viele Pinien“ bedeutet wurde den 1721 von Portugiesen gegründet. Die ansässigen Indianer zeigten den von Paranagua kommenden Kollonisatoren die vorteilhaften Siedlungsplätze auf dem ersten Planalto.

Auch der Name Iguazu geht auf die Indigene Bevölkerung zurück, es heißt soviel wie „Grosse Wasser“.

 

 

 

Ganz deutliche Spuren sind auch auf der Insel Santa Catarina zu finden.

Hier gibt es so genannte „Sambaquis“. Das sind von der indigenen Bevölkerung aufgeschüttete Haufen, bestehend aus Muscheln. Genau weiß man auch heute nicht warum diese Muschelhaufen aufgeschüttet wurden, aber man geht von der Funktion als eine Art Kultstätte aus

Auf der Abb. 9 sind Boote zu sehen welche einen Teil der indianischen Kanubauweise in ihrer Form bis heute behalten haben. Sie werden auf der Insel zum Fischfang eingesetzt.

Eine andere Spur der indigenen Bevölkerung war auf einem Felsen am Strand der Insel Santa Catarina zu bestaunen (Abb. 10). Die Stelle wurde von der indigenen Urbevölkerung dazu genutzt um ihre Werkzeuge und Waffen für den Fischfang zu schärfen. Man kann dies durch die kreisrunden konkave Ausbuchtung im Stein nachvollziehen.

 

Auch in Rio de Janeiro findet man die indianischen Wurzeln. Die Stadt wurde im Januar 1502 von den Portugiesen entdeckt. Hier siedelten damals die Tamoio-Indianer. Von ihnen stammt auch die Bezeichnung für die Meeresbucht an der Rio de Janeiro liegt: Guanabara, was soviel bedeutet wie „Meeres-Arm“.

An derselben Bucht liegt auch die Stadt Niteroi. Ihr Gründer war der Temiminó –Indianer Araribóia. Die Temiminó gehören zur Sprachgruppe der im 16.Jhd. dominierenden Tupí-Guaraní. Er kam mit seinem Gefolge im Jahr 1564 auf Schiffen der portugiesischen Flotte aus Epsirito Santo, wo sie ursprünglich lebten, nach Rio de Janeiro. Dort half er den Portugiesen Rio de Janeiro gegen die Franzosen zu verteidigen und diese zu vertreiben. Er wurde später christlich getauft und erhielt den Titel eines Ritter verliehen. Bis 1573 lebte er in Rio de Janeiro, dann bekam sein Stamm das Gebiet des heutigen Niteroi zugesprochen und gründete die Siedlung.

Ein Denkmal von ihm Steht im Hafen von Niteroi




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