5 Oberschichtsegregation in Rio de Janeiro
In Rio de
Janeiro ist der fortschreitende sozialräumliche Segregationsprozess zunächst
durch physisch
geographische Ansätze geprägt. Des Weiteren bestehen Zusammenhänge zwischen
Bodenwert, infrastruktureller Ausstattung und dem Einkommensniveau der
Bevölkerung.
Im Munizip Rio de Janeiros
unterscheiden sich landschaftliche und lokalklimatische begünstigte Gebiete. So
kommt es zum Beispiel in kühleren Hanglagen sowie in den Strandebenen zur
vermehrten Ausbildung und Erschließung von Privilegiertenvierteln.
In den 30er und
40er Jahren etablierte sich die Copacabana deutlich gegenüber der Zona Norte
mit den traditionellen Oberschichtvierteln als neues Einzugsgebiet der
gehobenen Sozialschichten. Die neuen Luxusappartementhochhäuser boten, im
Gegensatz zu den villenartigen Einfamilienhäuser in den Außenbezirken, für die
Oberschicht eine neue Alternative. Sie waren mit Klimaanlage und großzügigen
Wohnungen mit Dachterrasse oder Balkon ausgestattet und hatten repräsentative,
marmorverkleidete Eingangshallen. Der Hochhausboom der Copacabana war eine
Folge der rapiden Valorisierung des Viertels als die meist bevorzugte und
repräsentativste Wohnadresse und ein Symbol für einen modernen Lebensstil. So
verdichteten sich die Strandpromenaden nach und nach im hohen Masse.
Gleichzeitig lässt sich eine Veränderung der Physiognomie des Einzelhandels mit
der Entwicklung an der Copacabana beobachten. An der Hauptstraße des neuen
Stadtteils entsteht ein abendliches Vergnügungsviertel welches schon damals
mehr frequentiert wurde als das Zentrum.
Neben
den neuen modernen Strandpromenaden gibt es einige kleine Villensiedlungen die
dispersiv in Hanglagen der Südstadt verteilt sind. Es handelt sich um moderne Villen,
abgeschlossene Areale mit Swimmingpool, ummauerte Parks und bewachten
Zufahrtswegen, sogenannte Gated Communities. In diesen Vierteln entstehen dem
Anspruch der Oberschicht entsprechend Einkaufs- und Vergnügungszentren.
In den vierziger Jahren wird die
Zona Norte von der Oberschicht aufgegeben. Ab den fünfziger Jahren kann eine
sektorale Verlagerung von den
höchstbewerteten Vierteln ins Umland beobachtet werden. Durch diesen Prozess
verursachten Bedeutungsverlust und die Degradationserscheinungen im Bereich der
Innenstadt sind parallel mit der Verlagerung der Oberschicht zu erklären. Die
wachsenden Entfernungen des Klientel, die Überalterung der Gebäude und die
überteuerte Grundstücks- und Mietkosten sind die Auslöser.
Ab
den 50er Jahren lässt sich eine deutliche Funktionsdifferenzierung zwischen der
Nord- und Südstadt beobachten.
Die
Verkehrserschließung der Wachstumsspitze geht der Besiedelung grundsätzlich
voraus. Die ersten asphaltierten Strassen von Rio de Janeiro führten in die
Südstadt. Um die Entwicklung entsprechender Priviligiertenviertel zu
ermöglichen, wurden an der Copacabana und in Ipanema schon bevor es Häuser gab
Strassen gebaut.
Der Staat schafft durchaus
drehbare rechtliche Bauvorschriften, d.h. die Voraussetzungen für einen
nahezu uneingeschränkten Spielraum der Immobilienfirmen. Die ungleich höheren
öffentlichen Investitionen in den Oberschichtvierteln der Südzone verstärken
somit die sozialräumliche Segregation zusätzlich.
Das
Prestige eines Viertels beeinflußt vor allem in hohem Maße die
Standortentscheidung, die wiederum durch die Immobilienspekulanten beeinflusst
werden. Man spricht auch von einer Preissteigerung durch die erwarteten
Spekulationen. Diese Spekulationen führen dazu, dass die freien Grundstücke
verknappen und die noch zur freien Verfügung stehenden in ihrem Wert steigen.
Wenn jedoch ein gewisser Verdichtungsgrad erreicht ist, dann sinkt die
Wohnqualität derart, dass eine Entwertung des Stadtteils eintritt.
So sind zum Beispiel heute die
meisten Gebäude der Copacabana älteren Datums und entsprechen nicht mehr den
modernsten Komfortansprüchen. Dort wohnen heute Angehörige der mittleren bis
unteren Mittelschicht. Viele minderwertige Wohnungen befinden sich in den
hinteren Reihen der Strandebene. Vertreter der unteren Sozialschichten, die es
bis heute als hohen Prestigegewinn ansehen in Copacabana zu wohnen, teilen ein regelrechtes
Tages- und Nachtzeitleben. Straßenhändler,
Prostituierte, Tänzerinnen, Künstler, kleinere Angestellte und niedrige Beamte
teilen sich häufig die Kosten einer solchen Wohnung.
Die bevorzugten Wohnvierteln der
Oberschicht, die auf den attraktiven Flächen errichtet wurden, stehen in
unmittelbarer räumlicher Nähe, den auf sumpfigen und überschwemmungsgefährdeten
Gebieten, den Favelas gegenüber
Während
die Hauptmotive der Oberschicht für die Umsiedlung in Priviligiertenviertel die
stetige Suche nach Exklusivität und einer höheren Lebensqualität in Verbindung
mit einem gestiegenem Sicherheitsbedürfnis sind, dominiert bei der Unterschicht
die Aussicht auf ein eigenes Grundstück und die Hoffnung eine Arbeit zu finden.
Trotz einem hohen Beschäftigungsgrad im Bausektor und als Hausangestellte und
Wachpersonal erlangen die Arbeiter der Mittel- bzw. Unterschicht keinen
sozialen Aufstieg. Es ist lediglich der informelle Sektor, der sich immer
weiter ausbreitet.
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