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6 Der informelle Sektor

„In Brasilien ist der Städtische Informelle Sektor unter verschiedenen Namen bekannt. Er kann als unterirdischer, geheimer, unsichtbarer, irregulärer, verborgener, marginaler, nicht offizieller Sektor, als Basar- oder Schattenwirtschaft bezeichnet werde, (...)“ (Florisbela Dos Santos 2001: 17). Wie in diesem Zitat deutlich wird, gibt es eine Reihe von Namen um die Aktivitäten im informellen Sektor zu benennen. Doch trotzdem ist diese Art der Arbeit unabhängig vom Namen. Der Begriff umfasst Tätigkeiten, wie zum Beispiel die des Strassenverkäufers, der Hausangestellten, Dienstleistungen in unterschiedlichen Bereichen und jegliche illegale Arbeiter etc., und in allen dieser Tätigkeiten werde keine Steuern gezahlt noch Sozialabgaben abgeführt. Im Gegensatz zum informellen Sektor definiert sich der formelle Sektor durch die wirtschaftlichen Tätigkeiten, die durch den Staat selbst oder durch unternehmen gefördert, initiiert und reguliert werden. Weiter wesentliche Punkte, die den formellen Sektor kennzeichnen sind: feste Arbeitsverträge, tariflich und gesetzlich festgelegte Löhne, moderne Technologie, hohe Produktivität, hohe Produktqualität etc.. Die Kennzeichen eines informellen Sektors sind demnach das Fehlen dieser Kriterien (Vergl. Robleda Abad 1996: 37). Charakteristisch für den informellen Sektor sind neben den fehlenden Steuer- und Sozialabgaben noch vorherrschende Nutzung einfacher Arbeitsmittel, Verwendung überholter Technologien, einfacher Zugang zu informeller Aktivität, Familienbetriebe, kein oder nur geringer Zugang zu (staatlichen) Krediten und sonstigen Förderprogrammen, ungeregelte Arbeitszeiten, mündliche Übereinkünfte, tägliche Entlohnung, Fehlen von sozialen Sicherheiten, die z.B. Arbeitern des formellen Sektors laut Arbeitsgesetzgebung zustehen, Direktvermarktung, Fehlen von Zwischenhändlern, geringe Produktivität, niedrige Produktqualität etc. (Vergl. Florisbela Dos Santos 2001: 11f.).

Der informelle Sektor ist ein typisches Phänomen instabiler und armer Wirtschaftssysteme. Die in diesem Sektor Tätigen sind daher vor allem deshalb hier anzutreffen, weil sie ihre Arbeit verloren und keine neue Arbeit gefunden haben; sie befinden sich am Rande des Produktionsapparates und haben ein niedriges Konsumverhalten. Der städtische informelle Sektor ist vor allem für Menschen attraktiv, die ihre Arbeit verloren haben und im formellen Sektor keine mehr finden. Diese Art der Arbeit ermöglicht den unteren Einkommensschichten sich zu reproduzieren und zu überleben und bietet ihnen eine gewisse Sicherheit, womit auch eine soziale Anerkennung verbunden ist. Der informelle Sektor hat somit nicht nur eine ökonomischen sondern auch eine soziale Bedeutung. Das brasilianische Institut für Geographie und Statistik schätzt, dass mehr als 40 % (ca. 35 Mio.) der ökonomisch aktiven Brasilianer im städtischen informellen Sektor beschäftigt sind. Obwohl ein Großteil der Erwerbstätigen ihr Einkommen aus dem informellen Sektor bezieht, verdienen viele Menschen ihr Einkommen als Angestellte im privaten oder öffentlichen Bereich. Diese Tatsache weist darauf hin, dass es eine Vernetzung zwischen Favela bzw. ihren Bewohnern und der formalen Gesellschaft besteht.


 

 



6.1 Städtischer informeller Sektor in Rio de Janeiro

Das brasilianischen Institut für Geographie und Statistik erfasste und veröffentlichte 1996 Daten die städtischen informellen Ökonomie. Diese Daten (siehe Abbildung 2) bieten wichtige Informationen über die Hauptcharakteristika des informelle Sektors in Rio de Janeiro. Die Dominanz der Dienstleistungen wird bei diesen Daten sehr deutlich. An zweiter Stelle kommen die Tätigkeiten im Handel. Wobei diese Tabelle keine Daten über Hausdienstleistungen im informellen Sektor enthält.




Arbeitsbereiche

Anzahl

Handwerk

43.642

Bau

50.442

Handel

100.775

Lebensmittel

35.181

Transport

23.812

Dienstleitungen

111.410

Techn. Dienste

62.176

Sonstiges

16.982

Summe

444.420

Abbildung 2 (Florisbela dos Santos 2001: 61)



Der Anteil der Frauen und Männer im informellen Sektor ist nahezu gleich. Auffällig ist jedoch, dass es in einigen Arbeitsbereichen erhebliche Unterschiede gibt. So werden die Bereiche Bau und Transport von den Männern und der Bereich technische Dienste von den Frauen dominiert. Ein großer Anteil an Frauen ist ebenfalls im Bereich der Arbeit tätig. Seit der Sklavenabschaffung setzt sich die Organisation der Hausangestellte in Brasilien für geregelte Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen ein. Erste Erfolge in der Frage der Anerkennung dieser Tätigkeit als Beruf sind erst in den letzten zehn Jahren zu verzeichnen. Der Arbeitsbereich der Hausangestellten gehört überwiegend dem informellen Sektor an, dennoch wurde diese Tätigkeit unter diesem Gesichtspunkt so nicht behandelt. Dabei spielt dieser Tätigkeitsbereich in Entwicklungsländern aufgrund der Hohen Beschäftigungszahlen eine große Rolle. Man unterscheidet zwischen Hausangestellten, zum einen im informellen und zum anderen im formellen Bereich. Der wesentliche Unterschied ist das Vorhandensein eines Arbeitsbuches im formellen Bereich. Dieses Buch gewährleistet den Angestellten eine gewisse Sicherheit, dennoch ist die Alltagssituation bei den Hausangestellten in beiden Bereichen, aufgrund von schlechten Behandlungen etc., vergleichbar diskriminierend. Viele Hausangestellte haben eine sechs-Tages-Woche und arbeiten durchschnittlich 100 Stunden die Woche und die Entlohnung für diese Arbeit ist in der Regel sehr gering.

Neben diese Benachteiligungen fällt bei der Tätigkeit von Hausangestellten auf, dass das Geschlecht und die ethnische Herkunft eine große Rolle spielt. „Die Geschichte der Tätigkeit der Hausangestellten ist, wie Boechsler und Gisinger ausführen, „...nicht nur die Geschichte eines Berufes und der in ihm tätigen Frauen, es ist auch die Geschichte einer Gesellschaft, die durch das Klassenprinzip und die Benachteiligung der Frauen geprägt ist“ (Boechsler und Gisinger 1989: 621, zit. nach Florisbela dos Santos 2001: 90). Neben diesen Beschäftigungshierarchien findet in diesem Arbeitsbereich ebenfalls eine „Rassenschichtung“ (Florisbela dos Santos 2001:91) statt, so sind fast alle Hausangestellten Afrobrasilianerinnen. Die Hautfarbe spielt hier eine große Rolle und verstärkt die diskriminierende Werteskala in  dieser Gesellschaft und somit auch die ökonomischen und sozialen Unterschiede zwischen der Bevölkerung europäischer Herkunft und den Afrobrasilianer.

Die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben ist so gut wie unmöglich zu trennen. Dennoch leben die Hausangestellten in einer gewissen Ambivanelz, die sich im Bereich der Frauen zwischen Familie und Erwerbsarbeit zeigt. Die Situation innerhalb der Familie ist auch nicht so leicht zu begreifen, auf der einen Seite wird die Hausangestellte nicht eindeutig aus der Familie ausgegrenzt und auf der anderen Seite nicht eindeutig einbezogen.

Neben dem eben beispielhaft genannten Bereich des informellen Sektors ist auch das Alter der Menschen bei Arbeitsbeginn interessant, denn auch im informellen Sektor ist der Anteil an Kinderarbeit sehr hoch. Wie in der folgenden Abbildung 3 zu erkennen ist, sind etwa 80 % der beschäftigten Kinder im informellen Sektor noch nicht volljährig, davon sind 7 % der Kinder bei Arbeitsbeginn nicht einmal 10 Jahre alt.



Alter bei Arbeitsbeginn

Summe

Unter 10 Jahre

33.617 (7,1 %)

10 bis 14 Jahre

173.544 (36,6 %)

15 bis 18 Jahre

172.093 (36,3 %)

19 bis 24 Jahre

67.415 (14,2 %)

25 bis 39 Jahre

18.148 (3,8 %)

40 bis 59 Jahre

5.527 (1,2 %)

Über 60 Jahre

1.113 (0,2 %)

Ohne Angaben

2.446 (0,5 %)

Summe

473.938 (100 %)

Abbildung 3 (Florisbela dos Santos 2001: 81)




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