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Ein Beitrag zur Global Education Week - “Together for a World without Poverty”
3  Der Bereich der Exklusion


3.1 Eine Parallelgesellschaft?

Zunächst beginnt die Herauslösung aus dem sozialen System der betoffenen Personen durch Teilexklusion aus einem der Funktionssysteme, wie beispielsweise dem Wirtschaftssystem. Dieses Herausfallen führt ohne das Vorhandensein sozialer Rückversicherungen im schlimmsten Falle zur Vollexklusion aus dem Gesamtsystem Gesellschaft, da die erforderliche Mobilität weiter abnimmt und so eine erneute Integration in das verlassene System erschwert wird. Nicht gemeint ist hier eine Exklusion aus Systemen, die eine Inklusion in ein anderes System mit sich bringt. Betrachtet man das Beispiel der Marginalsiedlungen, so lässt sich erkennen, das ein Austritt aus einem der Systeme die Ausschlüsse aus anderen unmittelbar und unabwendbar mit sich ziehen kann.

Nicht vergleichbar ist dieser Prozess mit Obdachlosigkeit in Deutschland oder der Slum- oder Ghettobildung in den Vereinigten Staaten, wo immer noch eine Teilinklusion, z. B. in das politische System in Form des Wahlrechtes oder eines Beschäftigungsverhältnisses im Mindestlohnbereiches besteht und lediglich eine massive Trennung der gesellschaftlichen Schichten vollzogen wird.

Zwar existieren die einzelnen Funktionssysteme unabhängig voneinander und unterscheiden sich mit Hilfe ihrer System- Umwelt Differenz, dennoch besteht eine gewisse strukturelle Kopplung, da System und Umwelt sich gegenseitig beeinflussen. Zwischen den Systemen bestehen also Wirkungszusammenhänge, dennoch können sich die Systeme nicht gegenseitig steuern. Die Grenzen eines Systems sind seine kommunikativen Grenzen, die sich mit Hilfe von Codes voneinander unterschieden lassen. Jeder Kommunikationsbereich hat folglich seine teilsystemspezifische Codierung.

Auf das Gesamtsystems der ausdifferenzierten Gesellschaft lässt sich der Code teilnehmen/nicht teilnehmen anwenden. Besteht keine Teilnahme an den Funktionssystemen, so befindet sich der Ausgeschlossene im Exklusionsbereich der ausdifferenzierten Gesellschaft, gleichzeitig aber im Inklusionsbereich der Nicht-Teilnehmenden. Versucht man nun anhand der Kriterien, die ein System bedingen, festzustellen, ob es sich überhaupt um ein System handelt, so hat sich herausgestellt, das es eine Leitdifferenz (teilnehmen/ nicht teilnehmen) gibt. Zudem stehen sich in der ausdifferenzierten Gesellschaft die Funktionssysteme gleichwertig gegenüber. Favelas und andere Marginalsiedlungen gehören nun nicht als Teilsystem den Funktionssystemen an, sondern bilden eine Art Parallelsystem, das aus der Ausdifferenzierung folgt und gerade nicht hierarchisch auf derselben Ebene existiert. Das Parallelsystem bildet sich, da sich hier diejenigen sammeln, die, aus verschiedenen Gründen,  keinen Zugang zu den Funktionssystemen haben.


3.2  Codes außerhalb der gesellschaftlichen Funktionssysteme

Nun lassen sich auf die einzelnen ausdifferenzierten Systeme bestimmte Codes anwenden. Gilt für das Rechtssystem zum Beispiel der Code recht/ unrecht, für das Wirtschaftsystem lukrativ/ nicht lukrativ, so lässt sich keiner der für die Teilsysteme geltenden Codes auf den Bereich der Exklusion anwenden, der entsteht, wenn eine Person aus dem Gesamtsystem Gesellschaft ausscheidet. Zwar wird auch in diesem Bereich zwischen Recht/Unrecht unterschieden, jedoch lässt sich dies nicht zwangsläufig getrennt von lukrativ/nicht lukrativ betrachten, da die Ausdifferenzierung weithingehend fehlt. Durch das Fehlen der unterschiedlichen Institutionen und Interessengruppen, die über die Einhaltung der Codes wachen, verschwimmen die Grenzen der Teilsysteme. Legislative, Judikative, Exekutive, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Greenpeace - sie alle vertreten in einem vorgegebenen Rahmen ihre Interessen und Aufgaben. Durch diese Trennung wird eine gegenseitige Kontrolle erreicht, die auf der einen Seite Freiräume beschränkt, auf der anderen Freiheiten ermöglicht, und die Ausführung von Pflichten prüfbar macht. Fehlt nun diese gegenseitige Kontrolle und fällt die Autorität der Kontrollgremien in ein und die selbe Hand, so fallen ein und dieselben Codes, die sich in der funktional ausdifferenzierten Gesellschaft  auf viele Institutionen verteilen, nur einer einzelnen zu. Mangelt es nun an öffentlichen Einrichtungen, so treten an deren Stelle Netzwerke, die die Aufgaben übernehmen.




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